Lieber schlau als blau - für Jugendliche

Augsburger allgemeine Zeitung, 19.01.2012

Projekt

In Brandenburg trinken Jugendliche im Unterricht Alkohol

Augsburg Lehrer schenken ihren Schülern Alkohol aus – in Brandenburg ist das Teil eines Aufklärungsprojekts. Die Jugendlichen sollen so einen verantwortungsvollen Umgang mit der Gesellschaftsdroge lernen. 19 Gruppen aus Neunt- und Zehntklässlern haben bereits an solch einem „Trinkexperiment“ teilgenommen. Das Programm heißt „Lieber schlau als blau“.

„Die Jugendlichen sollen lernen, dass die meisten ihrer Wirkungserwartungen in Bezug auf Alkoholkonsum falsch sind“, erklärt Simone Schramm. Sie ist Sozialpädagogin an der Salus-Klinik Lindow, wo das Programm entwickelt wurde. Kompetenz statt Abschreckung lautet das Konzept. Dabei sollen die Jugendlichen lernen, dass „mehr Alkohol“ nicht gleichbedeutend ist mit „mehr Spaß“.

„Überrascht waren viele Schüler davon, dass man beim anderen Geschlecht nicht unbedingt besser ankommt, wenn man mehr verträgt“, verrät Karin Dommes. Sie ist Sozialarbeiterin an der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule in Birkenwerder. Zwei „Trinkexperimente“ hat sie dort bereits durchgeführt. Vor und nach den Trinkrunden müssen die Jugendlichen Konzentrationstests durchführen. Was einige Schüler laut Dommes verblüfft habe: Nach der ersten Trinkrunde schnitten sie besser ab als zuvor nüchtern. „Das liegt daran, dass die Schüler lockerer wurden. Anschließend fielen die Ergebnisse aber erwartungsgemäß ab“, erläutert Dommes. Je nach Alter gibt es für die Schüler zwei bis vier Trinkrunden. Minderjährige trinken pro Runde ein Bier à 0,33 Liter oder die doppelte Menge an Biermischgetränken.

Eltern waren zunächst gegen das .Trinkexperiment.

Viele Eltern waren zunächst gegen das Projekt. „Wir mussten auf Elternabenden massive Vorurteile ausräumen“, erklärt Dommes. Die Befürchtung der Eltern: Das Projekt führe Jugendliche erst an den Alkohol heran. Schramm widerspricht dem: „70 bis 80 Prozent der Jugendlichen, die angaben, vorher noch nie Alkohol getrunken zu haben, tranken auch bei den Experimenten nichts“.

Aufklärungsveranstaltungen sollten die Befürchtungen der Beteiligten zerstreuen. Eltern bekommen das Projekt zunächst vorgestellt. Sie können entscheiden, ob ihr Kind teilnimmt und wie viel Alkohol es trinken darf. Zudem müssen sie sich verpflichten, ihr Kind zu einem vereinbarten Zeitpunkt abzuholen.

Nach dem „Trinkexperiment“ bekommen die Schüler zwei Rückmeldungen. Die erste ordnet den Schüler in vier Stufen von Anfänger bis Profi ein – je nachdem, wie verantwortlich er mit Alkohol umgeht. Die zweite Rückmeldung fasst die Selbsteinschätzungen des Schülers vor und während des Experiments zusammen. Im nachfolgenden Unterricht lernen die Schüler Vorsichtsmaßnahmen. Etwa Trinkangebote abzulehnen oder sich richtig zu verhalten, wenn Freunde zu viel getrunken haben.

In Bayern wird der brandenburgische Ansatz vorerst keine Schule machen. „Das Erlernen eines vernünftigen Konsumverhaltens von Alkohol liegt eigens im Erziehungsauftrag und der Verantwortung der Eltern“, teilte das Kultusministerium auf Anfrage unserer Zeitung mit. Im Freistaat setze man weiterhin auf quasi theoretische Drogenaufklärung im Unterricht. Ergänzende Programme sollen das Selbstwertgefühl der Schüler stärken. Das soll, erklärt ein Sprecher des Ministeriums, den Jugendlichen einen „Schutzfaktor gegen Suchtgefahren verleihen“.

Von Simon Karrer

Jugendliche und Alkohol

  • Missbrauch Im Jahr 2010 wurden 26 000 Jugendliche wegen Alkoholmissbrauch stationär in deutschen Kliniken behandelt. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das eine Steigerung um 170 Prozent.
  • Konsum Von den 12- bis 17-Jährigen tranken im Vergleich zu 2004 aber nur noch 13 statt 21 Prozent einmal wöchentlich.
  • Alter Durchschnittlich trinken Jugendliche mit 14,5 Jahren zum ersten Mal Alkohol. (AZ)

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