Lieber schlau als blau - für Jugendliche

Frankfurter Rundschau, 25.06.2010

Einen können wir noch

Auf die erfolgreiche Matheklausur, prost! Manch einer hat womöglich eine solche Szene im Kopf; Schüler und Lehrer köpfen im Unterricht eine gepflegte Flasche Bier, obendrauf gibt's noch 'nen Korn. So muss es wohl ablaufen, wenn an Schulen offiziell getrunken werden darf.

Tatsächlich aber hat all dies mit dem Trinktest, den Lehrer und Sozialpädagogen in Brandenburg mit ihren Schülern und Schützlingen durchführen, rein gar nichts zu tun. Es geht, kurz gesagt, um den maßvollen Umgang mit Alkohol, den die Jugendlichen hier erlernen sollen.

Konkret läuft das Ganze seit einiger Zeit in sogenannten Trinkworkshops ab und zwar nicht einfach drauflos, sondern unter genauer Kontrolle und mit wissenschaftlichem Anspruch: Je nach Alter, die Jüngsten sind 14 und brauchen natürlich das Einverständnis ihrer Eltern, gibt es eine kleine Flasche Bier oder ein Glas Sekt beziehungsweise Wein, die jeweils innerhalb von 30 Minuten zu konsumieren sind. Ein weiteres Glas gibt es nach einer Pause.

Nach jeder Trinkphase nehmen die Jugendlichen an einem Konzentrationsspiel teil, bei dem etwa Zahlen in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen sind. Ziel dabei, so Poektleiterin Simone Schramm: „Sie sollen merken, wie sich der Alkohol auf ihre Leistungsfähigkeit auswirkt.“ Nach jedem Konsum wird ins Röhrchen gepustet und der Promillewert ermittelt. Auch aus ganz pragmatischen Gründen: Die Jugendlichen haben dann vielleicht nur 0,3 Promille Alkohol im Blut, erfahren aber: Wären sie in diesem Zustand in einen Verkehrsunfall verwickelt, hätte das für ihren Versicherungsschutz üble Konsequenzen, sagt die Mitarbeiterin der Suchtpräventions-Fachstelle Brandenburg, die Lehrer und Pädagogen für den Alkoholtest schult.

Wichtig für Schramm, die mit dem Suchtexperten und Leiter der Salus-Klinik in Lindow, Johannes Lindenmeyer, das Alkoholpräventionsprogramm „Lieber schlau als blau“ entwickelte, ist dabei auch die Erkenntnis der Jugendlichen: „Viele erreichen schon mit einer geringen Alkoholmenge den Zustand. um den es ihnen qeht.“ Mit anderen Worten: Es muss nicht gleich die ganze Flasche Wodka sein, wenn man sich nur etwas anheitern möchte.

„Wie aber sollen sie das lernen und vernünftig an den Alkohol herangeführt werden, wenn ihnen das niemand vorlebt“, fragt Rahel Mertin. Die Diplompädagogin koordiniert im ländlichen Raum Rathenow Projekte für Jugendliche, die mit Alkohol nicht selten versuchten, ihre Langweile zu verdrängen.

Nichts für Extremtrinker

Das Trinkprojekt, an dem auch sie teilnahm, habe bei ihren Jugendlichen durchaus zu einem Bewusstseinswandel geführt: „Früher standen die Jugendlichen schon mal mit der Flasche Schnaps vor dem Jugendclub.“ Heute sei sie ganz erstaunt. wie viele Gedanken sich mancher von ihnen über seinen Alkoholkonsum mache. Auch Schramm verweist auf positive Erfahrungen: Dass Erwachsene Jugendlichen in Sachen Alkohol mal nicht mit dem erhobenen Zeigefinger begegneten, lasse Raum für Eigenverantwortung: „Auf einmal werden untereinander klare Absprachen getroffen; nach dem Motto: Wenn du uns zur Disco fährst, zahlen wir dir die alkoholfreien Getränke.“

Schramm macht aber auch klar, dass das Trinkprojekt nicht mehr jene Jugendlichen ins Visier nehmen kann, deren Alkoholkonsum grenzwertig geworden ist. Und das sind noch immer viele: Laut einer aktuellen Schülerbefragung des brandenburgischen Gesundheitsministeriums trinkt jeder fünfte Zehntklässler im Land regelmäßig Alkohol, das heißt mindestens jede Woche. Erschreckend auch der Blick in den Rest der Republik: Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl stationärer Krankenhausaufenthalte in Folge einer Alkoholvergiftung in der Gruppe der 15- bis 19-jährigen Jungen zwischen 2000 und 2008 von knapp rund 47OO auf 13 700 angestiegen.

Dass das Problem des zunehmenden Komasaufens mit dem Trinken unter Laborbedingungen nicht allein zu lösen ist, glaubt dabei auch das Brandenburgische Gesundheitsministerium nicht. „Lieber schlau als blau“, dessen Erfolg bald wissenschaftlich überprüft werden soll, sei deshalb nur ein Instrument neben anderen, bei dem klar sei, dass man nicht nur Befürworter finde, so eine Sprecherin. Die meisten Eltern allerdings, so Simone Schramm, hätten sich bislang überzeugen lassen.

Von Yvonne Globert

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